Sonntag, 15. Januar 2012

6) An der Burg

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An der Burg ...
.. eigentlich eine Straße, die auf den Ursprung der Kaiserpfalz Mühlhausen hindeutet.., die aber doch erst relativ spät zu richtigen Straße wurde..
Da war die Reichsburg.., die der Straße ihren Namen gab .. und an die nur noch eine "Kunstruine" und eine Gedenktafel erinnern ..
und da war der Burgteich vor der Stadtmauer zwischen dem Burgtor und dem Pfortentor, auf dessen Nordseite es einen Weg mit ein paar Gartenhäusern gab ..
aber das war es dann auch schon für viele Jahre ..

Heute gehört die Straße AN DER BURG zum belebten Straßenring um die Innenstadt .., der aber trotzdem auch einige geschichtliche Details aufzuweisen hat .




An der Burg 14  - Bürgermeisterhaus - 1891 Wohnsitz von Wilhelm II -
Nun waren ja auf der königlichen Reichsburg im Mittealter mehrere Könige und Kaiser eingekehrt, um hier ihre Regierungsgeschäfte für das Land und den Reichsgutbezirk zu regeln.
Aber auch in neuerer Zeit war ein deutscher Kaiser an der Burg eingekehrt ..
Kaiser Wilhelm II. besuchte 1891 ein Truppenmanöver im mühlhäuser Raum und wohnte drei Tage im Haus des damaligen Bürgermeisters An der Burg 14 ..
Natürlich wurde er von den Honoratioren und der Bevölkerung der Stadt begeistert begrüßt und am Abend winkte er hunderten Bürgern der Stadt vom Balkon leutselig zu..
Später..., in der DDR-Zeit war dann hier der Betriebskindergarten des sozialistischen Handels - HO und Konsum -



Kriegerdenkmal von 1883
1883 war der ehemalige Burgteich bereits zu einer schönen Parkanlage umgestaltet und in seiner Mitte entstand  das Kriegerdenkmal für die mühlhäuser Gefallenen des Krieges 1870/71 ..
In den Folgejahren fanden dann hier immer wieder Gedenkfeiern der verschiedensten Militärvereine und der Bürger statt... , so kamen hier 1894 bei einer Feierstunde 38 einheimische und auswärtige Krieger- und Militärvereine zusammen ..
Im Dezember 1967 wurde dann das Denkmal für die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges 1870/71 auf Beschluss des Rates der Stadt abgerissen, weil es ".. keine Bedeutung für unsere Zeit .." hätte ..











Blumenbeete in den Anlagen - 1902 -
1902 feierte die Stadt ihre einhundertjährige Zugehörigkeit zum Königreich Preußen und auf beiden Seiten des Kriegerdenkmals an der Burg wurden prächtige Blumen arrangements angebracht, die vom damaligen Stadtgärtner Pollex entworfen wurden .
Adolf Pollex (1864 - 1921) war seit 1889 erster Stadtgärtner und hatte wesentlichen Anteil an der Gestaltung der städtischen Grünanlagen rund um die Stadtmauer, sowie am Bahnhofsplatz und am neuen Rieseninger Stadtpark ...
Hier ein Blick vom Kriegerdenkmal in Richtung Schauspielhaus..

Mauerturm an der Bollstedter Gasse um 1890


In den achtziger und neunziger Jahren des 19.Jhs. erfolgten die Durchbrüche der Stadtmauer an der Hoyergasse und der Bollstedter Gasse .., wobei auch die vorhendenen Türme abgerissen wurden..
In diesem Bereich wurde auch ein Teil der Stadtmauer abgerissen und hier entstanden mehrere repräsentative Wohnhäuser ...










Berliner Hof von 1840
Bereits 1840 hatte der Gastwirt Muthreich an der Burg den Berliner Hof bauen lassen, der mit seinem Restaurant und dem großen Festsaal bald Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Stadt wurde..
Hier fanden gut besuchte Konzerte, Theateraufführungen und Bälle statt .., allerdings war der Saal noch mit Ofenheizung versehen und im Winter behielten die Besucher meist ihre Mäntel im Saal an .. aber um 1900 gab es dann auch schon elektrische Beleuchtung und bald auch eine Zentralheizung, so daß man auch seine Festgarderobe zeigen konnte ..









An der Burg 1
1841 hatte der Brauereibesitzer Weymar das Gelände auf der bisher ungenutzten Burgstätte gekauft, um hier ein Brauerei zu errichten..
1864 wurde sein repräsentatives Wohnhaus An der Burg 1 gebaut.., ein relativ schlichter Bau, der vom Stadtbaurat Weniger entworfen wurde..
An der Burg waren jetzt mehrere herrschaftliche Häuser entstanden, so auch das Haus Nr.10 aus den dreißiger Jahren des 19.Jhs., in dem mehrere Räume mit prachtvollen Biedermeierausmalungen versehen waren ..
Die Straße war auf dem ehemaligen Wall angelegt, der sich vor dem Burgteich befand..
Noch heute ist diese erhöhte Lage der Straße erkennbar ..



Margarethenhospital um 1870
Am anderen Ende der Straße An der Burg lag vor dem früheren Altpfortentor an der Einmündung zur Ammerstraße das 1358 gegründete Margarethenhospital  ., das 1717 erneuert und seit Anfang des 19.Jahrhunderts als städtisches Krankenhaus genutzt wurde...
Als der Bau 1895 teilweise abbrannte, wurde anschließend das städtische Krankenhaus an der Langensalzaer Landstraße gebaut.







Burgteich um 1750
In der Nähe des Margarethenhospitals befand sich am Burgteich der städtische "Badekorb" ..
Er diente der Bestrafung kleinerer Delikte.., wie Taschendiebstahlo.ä...
Der Deliquent wurde in den vergitterten Badekorb gesperrt und der Korb über den Teich geschwenkt.. Altenburg berichtet anschaulich über das weitere Vorgehen ..
".. und wenn die Herren Semner Befehl gaben,so zogen die Stadtknechte den Riegel los.., dann gin es plump..., da lag er drin im Teiche .."
Je nach Vergehen konnte der Übeltäter mehrmals dieser Prozedur unterworfen werden... und manchmal kam noch das Auspeitschen oder die Vertreibung aus der Stadt hinzu ..
Der Badekorb wurde aber wohl um Mitte des 18. Jahrhunderts abgeschafft..










Pfortentor um 1700
Die Stra0e zum Pfortentor trennte den rechts liegenden Pfortenteich, vom links liegenden Burgteich, der wie die anderen Vorstadtteiche vorwiegend der Fischaufzucht diente.
Die Setzlinge wurden dann später in den Popperöder Teichen (am Schwanenteich) ausgesetzt.
Die Teiche vor der Stadtmauer erhielten ihr Wasser vom Straßenbach der Breitsülze, der von der Holzstraße  zur Burgstraße floss...
Bereits Anfang des 19.Jahrhunderts wurden diese Teiche aber dann trocken gelegt

Übrigens..., das mittlere Pfortentor wurde schon früh abgerissen, aber das innere Tor als letztes der verschwundenen Tore erst im Jahre 1891 ..

mittleres Burgtor bis 1801
Im Gegensatz dazu wurde das äußere Burgtor bereits im Jahre 1801 abgebrochen..
Es war 1612 mit einer "italienischen Kuppel"  erbaut worden und dann Anfang des 19. Jhs... ".. weil es so sehr mangelbar war.." abgebrochen ..
Auch das innere Burgtor, das an Stelle der früheren Burgpforte am Zugang zur Burgstraße stand, verschwand dann bald ..
(.. das Fundament dieses Tores wurde vor einigen Jahren durch eine besondere Steinsetzung im Straßenpflaster kenntlich gemacht ..)






Reichs-Quell-Brauerei mit "Burgruine"
Auf dem vom Brauereibesitzer Weymar erworbenen Burggelände entstand dann das Bürgerliche Brauhaus .., die Reichsquell-Brauerei ..,
Auf dem Bild lag der rechte Teil der Brauerei an der Straße Auf der Burg.. und der linke Teil bereits am Kreuzgraben..
In der Mitte, die vom Brauereibesitzer finanzierte "Kunstruine" der ehemaligen Reichsburg ..
Rechts im Bild noch die offene Wagenremise und daneben das Wohnhaus der Familie Weymar ..
Auf der linken Bildseite sieht man im Vordergrund am Kreuzgraben den ehemaligen Mühlgraben, an dem früher 4 Wassermühlen lagen .




.. letzte Erinnerung .. heute -
Mit der "Kunstruine" der früheren Reichsburg wurde wenigstens ein kleiner Teil dieser ehemals mächtigen Königspfalz der Nachwelt vorstellbar gemacht.
Natürlich war die erneuerte Reichsburg um 1200 wesentlich mächtiger und größer .. und reichte vom östlichen Teil der späteren Reichsquell-Brauerei bis zur Burgstraße ..
In meinen Beitrag Nr.10 in "Mühlhausen-Geschichte und mehr" habe ich die Entwicklung dieser Pfalzburg kurz vorgestellt ..








ehem.Knabenmittelschule von 1914
An der Stelle des früheren Margarethenhospitals entstand 1914/15 die damalige Knabenmittelschule.., die dann auch mal "Deutschritterschule" und später EOS "Erich Weinert" hieß ..









An der Burg 5 -Schauspielhaus bis 1956
1956 wurde das damalige Schauspielhaus .., der ehemalige Berliner Hof .. abgerissen ..
Anfang des 20. Jahrhunderts noch als Theater und sogar einige Zeit als Kino genutzt.., wurde das Gebäude bereits in den zwanziger Jahren teilweise gesperrt ..
Nach dem 2. Weltkrieg bestanden Pläne, das Gebäude zu einem repäsentativen Stadttheater um- und auszubauen ..
aber für die damailge Zeit wären die Kosten zu hoch gewesen.., es gab wichtige Dinge beim Aufbau des Sozialismus zu lösen .. und so wurde der Abbruch vom Stadtrat beschlossen ..
Übrigens.., fand man beim Abbruch noch Grundmauerreste der ehemaligen Reichsburg, die also bis hier reichte ..
.. aber an der Erforschung einer kaiserlichen Burg hatte man damals in Mühlhausen auch kein Interesse .. und so blieben .., wie auch später .., gründliche Suchgrabungen aus ..

Tankstelle an der Mauer um 1930

Da.., wo früher die Reichsburg endete (.. also gleich neben der ehemaligen Burgpforte an der Burgstraße ..) entstand Ende der zwanziger Jahre eine kleine Tankstelle .., die später zur Bedürfnisanstalt umfunktioniert wurde ..









Busbahnhof 1 und An der Burg 6 - 8

Neben dem ehemaligen Schauspielhaus befanden sich An der Burg 6 - 8 mehrere Häuser.., so die ehemalige Dampfwäscherei und die Villa neben dem Burggäßchen in der zuletzt der Zahnarzt König bzw. seine Tochter ihre Praxis hatten ..
Im Vordergrund der Aufnahme vom Anfang der siebziger Jahre der frühere Busbahnhof, wo sich der gesammte Linienverkehr in den Landkreis abspielte..










K-Wagen-Rennen - Rund um die Anlagen -
Beliebt waren in den sechziger Jahren die K-Wagen-Rennen "Rund um die Burg" ..., wo tausende Mühlhauser bei dem Spektakel zuschauten ..







Gaststätte "Tannhäuser" - An der Burg 3
Der Vergangenheit gehört auch die frühere Gaststätte "Tannhäuser" An der Burg 3, an ..
Sie wurde zuletzt vom Konsum betrieben und diente eine Zeitlang als Wartehalle für die Fahrgäste am Busbahnhof..
Auch die Häuser rechts daneben verschwanden und hier entstand nach der Wende das neue Telekom-Gebäude ..




Bus-Bahnhof 2 von 1986





An der Stadtmauer - heute -




Blick zum Durchbruch Hoyergasse


1986 wurde der Busbahnhof "modernisiert" und erhielt eine Überdachung ..
Die Omnibusse des VEB Kraftverkehr hatten damals besonders im Berufsverkehr zahlreiche Fahrgäste, kamen doch viele Werktätige der großen volkseigenen Betriebe aus den Gemeinden des Landkreises..
Also.., Betrieb war damals am Busbahnhof immer .., den damals hatten ja nur wenige ihr eigenes Auot .. und wenn..., war das Bus fahren sowieso noch billiger ..



An der Burg 1 -- die Burggalerie --






Auf der Südseite der Anlagen an der Burg war die alte Stadtmauer aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts lange Zeit die Abgrenzung zur Innenstadt ..
Erst Ende des 19. Jhs. wurde die Mauer dann teilweise durchbrochen.., ist aber an einigen Stellen - wie hier in der Nähe der Pfortenstraße - noch gut erhalten ..

Hier ein winterlicher Blick zu den Häusern am Durchbruch zur Hoyergasse .., mit der Marienkirche im Hintergrund .. und der Stelle.., wo früher das Kriegerdenkmal stand, im Vordergrund..

Heute befindet sich An der Burg Nr.1 die neue Burggalerie.., die auf dem Gelände der früheren Reichsquell-Brauerei entstand ..
Bei den Bauarbeiten dürften wohl auch die letzten möglichen Reste der früheren Reichsburg für immer verschwunden sein.., denn eine wissenschaftöiche Erforschung des Geländes fand vorher nicht statt ..
Na ja.. , mit der Burggalerie wurde aber eine günstige Einkaufsstätte in Zentrumsnähe geschaffen .. und das ist ja schließlich auch etwas ..










An der Burg um 1870 - von Carl Michel


Die frühere Reichsburg ..., die unserer Straße "An der Burg" ihren Namen gab .., ist wohl aus dem Gedächtnis vieler Mühlhäuser verschwunden .. und nur kundige Bürger führen ihre Gäste manchmal an die Stelle, wo früher die deutschen Könige und Kaiser in ihrer Pfalz residierten ..
.. und die eigentlich die Wiege unserer Stadt ist ..




 

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